Frauen. Leben. Freiheit.
Drei Worte, die gerade die Islamische Republik erschüttern.
L&rsquo;OFFICIEL sprach exklusiv mit der Menschenrechtsaktivistin und
Founderin von H&Aacute;WAR.Help, DUZEN TEKKAL.

Du besch&auml;ftigst Dich schon seit langer Zeit mit dem Iran, wie sch&auml;tzt Du die derzeitige Situation ein?
Im Iran findet derzeit eine Revolution statt. Im Iran findet eine Revolution statt, die seit &uuml;ber zwei Monaten geht, seit &uuml;ber 83 Tagen. Die Menschen sind durch mit diesem Regime, sie haben es abgew&auml;hlt. Dieses Regime ist ideologisch gescheitert, sie bezeichnen dieses Regime als M&ouml;rderregime. Dieses Regime richtet Demonstranten hin, der erste wurde bereits hingerichtet und bildete erst den Anfang. Die Situation ist, dass dieses Regime Krieg f&uuml;hrt gegen seine eigene Zivilbev&ouml;lkerung, weil sie so sehr in die Ecke gedr&auml;ngt ist, wie seit 43 Jahren nicht mehr. Die Menschen, der Generalstreik, die Arbeiter, die Sch&uuml;lerinnen, die Frauen, die Minderheiten. Was alle vereint ist, dass sie dieses Regime nicht mehr m&ouml;chten, sie m&ouml;chten keine Reform, keine falschen Versprechungen. Sie m&ouml;chten, dass dieses Regime abgel&ouml;st wird.
Das Regime wiederum, schl&auml;gt mit voller Brutalit&auml;t zur&uuml;ck und m&ouml;chte mit diesen Hinrichtungen ein Exempel statuieren. &Uuml;ber 18000 Verhaftete, deren Gesichter und Geschichten wir nicht kennen. Stattdessen fallen wir auf Legenden der Sittenpolizei, die angeblich abgeschafft werden sollte herein. Das sind Fakenews. Wir sollten uns lieber auf die Geschichten konzentrieren, die dieses Regime verhindern will.
Was neu ist, seit 43 Jahren, dass wir zu Zeugen werden von offengelegten Menschenrechtsverletzungen. Von dem Mut der Menschen, die tagt&auml;glich auf die Stra&szlig;e gehen, die aus jedem Begr&auml;bnis einen Proteststurm, einen Widerstand machen, die sich nicht unter Druck setzen lassen und, dass ist ganz wichtig, die sich keine Angst mehr machen lassen.
Dieses Regime profitiert davon, Angst und Schrecken zu verbreiten, im Land - weltweit. Die Menschen, die auf die Stra&szlig;e gehen riskieren ihr Leben. Sie riskieren dabei zu sterben und machen es trotzdem. Deshalb ist der Generalstreik der letzten Tage auch so wichtig. Das ist eine Bev&ouml;lkerungsschicht, die eher unpolitisch ist, aber daran waren &uuml;ber 90 Prozent der Menschen beteiligt. Die L&auml;den und Basare hatten geschlossen. In dem Moment, indem auch die Wirtschaft, der Energiesektor beispielsweise, der Erdgas- und Erd&ouml;lsektor, Widerstand leistet, zeigt sich, wie sehr dieses Regime gescheitert ist.
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Wo siehst Du Unterschiede zu den vorhergehenden Protesten und der aktuellen Revolution?
Neu ist tats&auml;chlich das Ethnien &uuml;bergreifende, das klassen&uuml;bergreifende. Man spricht von den zwei blutigen Fl&uuml;geln von Belutschistan und Kurdistan. Dort sterben gerade die meisten Menschen. Denken wir an die Freitagsdemonstrationen. Es werden &uuml;brigens auch Moscheen angegriffen. Das hat nichts mit Glauben zu tun, was dieses Regime da repr&auml;sentiert. Sie t&ouml;ten Gl&auml;ubige - nach den Gebeten.
Was alle vereint ist, dass die Menschen sagen, dass dieses Regime gescheitert ist und das alle Menschen miteinander auf die Stra&szlig;e gehen und sich nicht mehr aufeinanderhetzen lassen. In der Art und Weise, wie sie demonstrieren, wie sie protestieren, sehe ich den Unterschied, in der fortw&auml;hrenden Dauer beispielsweise. In dem Widerstand, der geleistet wird, in dem Mut. Denken wir an die Schauspieler, denken wir an die Sportlerinnen, die ihr Kopftuch ablegen, obwohl sie riskieren, dass sie oder ihre Angeh&ouml;rigen daf&uuml;r verhaftet werden. Die beiden Schauspielerinnen, die das Kopftuch abgelegt haben und jetzt verhaftet wurden. Die Journalisten, die Fotos machen, obwohl sie auch daf&uuml;r verhaftet werden. Die Menschenrechtsaktivisten, die gerade in den Foltergef&auml;ngnissen von Evin sitzen. (Evin ist das bekannteste und ber&uuml;chtigste <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Iran">iranische</a> <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gef%C3%A4ngnis">Gef&auml;ngnis</a>, es liegt am n&ouml;rdlichen Stadtrand von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Teheran">Teheran</a>. Anmerkung der Redaktion)
Die Schlangen von Autos, die zu dieser sogenannten Freiheitsstatue im Iran gefahren sind. All das gab es bis dato vorher so nicht.
Die gr&uuml;ne Bewegung ist auch deswegen gescheitert, weil sie gar nicht als Form des Widerstands erkannt worden ist. Die Art und Weise, wie jetzt Anteil genommen wird, dass beispielsweise die Times diese drei iranischen Frauen auf ihrem Cover als &bdquo;Heroes oft he year&ldquo; zeigt und vieles andere, das ist neu.
Neu ist nicht, dass Menschen get&ouml;tet werden in diesem Regime, sondern, das wir uns daf&uuml;r interessieren.
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Welche Rolle spielen die westlichen M&auml;chte deiner Meinung nach in der Situation, die heute im Iran herrscht?
&nbsp;Die westlichen M&auml;chte spielen dabei eine wesentliche Rolle und die Frage dahingehend sollte lauten, wie verhalten wir uns diesbez&uuml;glich. Machen wir wieder dieselben Fehler, wie bei der gr&uuml;nen Bewegung? Wie Obama, der es nicht ernst genommen hat, oder lautet die Aussage, und das ist es, wof&uuml;r wir als Menschenrechtsorganisation auch k&auml;mpfen, wo wir die Politik auch immer wieder konfrontieren, dass es f&uuml;r die Politik im Westen nur eine Antwort gibt. Wir stellen uns unmissverst&auml;ndlich hinter die Seite der Zivilbev&ouml;lkerung und k&ouml;nnen nicht mit einem Regime verhandeln, was Demonstranten hinrichten l&auml;sst, die f&uuml;r ihre Grundrechte auf die Stra&szlig;e gehen. Sie haben nichts verbrochen, sie singen, sie tanzen, sie lachen und sie werden daf&uuml;r get&ouml;tet. Das kann nicht unser Verhandlungspartner sein.
Daf&uuml;r gibt es eine Petition, die wir ins Leben gerufen haben, die ihr Quorum erreicht hat und die am Montag im Bundestag &uuml;bergeben wird. Dort werden wir den Ausschussmitgliedern partei&uuml;bergreifend Rede und Antwort stehen und das Einl&auml;uten der Iranwende fordern. Wir fordern, dass diese Botschaften schlie&szlig;en, die von den Menschen als Spionage-Botschaften bezeichnet werden und wir fordern den Schutz von Exiliranern und Exiliranerinnen und von allen anderen Minderheiten, darunter auch Kurden, Belutschten und Aserbaidschanern.
Es geht darum, das universelle Grundrechte gerade verteidigt werden, die Menschen sterben f&uuml;r unsere Werte, f&uuml;r gemeinsame Werte. Die Werte, das haben die Frauen selbst gesagt bei der Demonstration 1979, sind weder westlich noch &ouml;stlich. Sie sind universell. Deswegen ist diese Revolution universell und deswegen sollten wir uns alle daf&uuml;r verantwortlich f&uuml;hlen. Wir brauchen keine iranischen oder kurdischen Wurzeln, um Teil dieser Revolution, dieser Bewegung zu sein. Ich sage immer wieder, stellt euch eine Zukunft im Iran vor, in der die Menschen auf der Stra&szlig;e die Atomverhandlungen f&uuml;hren. In der die Menschen auf der Stra&szlig;e, die &uuml;brigens weder antisemitisch sind noch religi&ouml;se Extremisten, pl&ouml;tzlichen Entscheidungen treffen k&ouml;nnten. Auch die Frage, was passiert danach? Die Elite dieses Landes sitzt in den Foltergef&auml;ngnissen. Wenn sie befreit werden, dann wissen sie was zu tun ist.
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Du hast den Verein H&Aacute;WAR.help e.V. zusammen mit Deiner Schwester gegr&uuml;ndet und die Bildungsinitiative GermanDream, au&szlig;erdem hast Du zwei B&uuml;cher geschrieben, was treibt Dich an?
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Mich treibt Gerechtigkeit an, mich treibt an, gegen Unterdr&uuml;ckung vorzugehen, mich treibt an, das Recht auf Leben f&uuml;r jeden Menschen, mich treibt an, dass der Schmerz international ist. Mich treibt die Menschlichkeit an, die uns dazu zwingen muss. Verantwortung bedeutet, jedweden Menschen, der f&uuml;r Frauen- und Menschenrechte aufbegehrt, zu sch&uuml;tzen. Es ist mitnichten so, dass das nur ein Problem im Iran ist. Diese Ideologie ist weltweit verbreitet. Das iranische Regime ist eine weltweite Gefahr, es finanziert die Hamas, die <a href="https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&amp;q=Hisbollah.&amp;spell=1&amp;sa=X&amp;ved=2ahUKEwingLHmrez7AhXAYPEDHQdVDL0QkeECKAB6BAgHEAE">Hisbollah.</a> Es will die Vernichtung Israels. Das sind alles Themen, die unangenehm sind, und die m&uuml;ssen besprochen werden. Diese Themen m&uuml;ssen in den Fokus ger&uuml;ckt werden.
Und mich treibt Jin Jiyan Azadi an - Frauen, Leben, Freiheit. Denn ich wei&szlig;, dass das Leben als Frau, als Kurdin, als Jezidin keine Selbstverst&auml;ndlichkeit ist, und mich treibt an, dass wir den &bdquo;Angstmachern&ldquo; endlich etwas entgegensetzen, damit wir eines k&ouml;nnen - Leben.
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Was ist Deine Bef&uuml;rchtung, wie sich die Situation im Iran weiterentwickelt, und auf was hoffst Du?
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, den Menschen zuzuh&ouml;ren. Sie sagen &bdquo;be our voice&ldquo;, und ich sage, believe the victim. Das, was wir sehen, sind Gegensatzspannungen.
Auf der einen Seite Leid. Menschen, die hingerichtet werden. Bilder, die wir sehen, von den ganzen Toten. Verhaftete, Kinder, die zu Grabe getragen werden, &uuml;ber 60 Kinder sind get&ouml;tet worden. Kinder, die nichts verbrochen haben, niemand hat etwas verbrochen.
Auf der anderen Seite sehe ich Hoffnung. Ich sehe einen Geist der Revolution. Ich sehe Widerstand. Ich sehe Kraft. Wer sind wir, um das den Menschen vor Ort abzusprechen und dewegen gibt es f&uuml;r mich gar keinen Platz f&uuml;r Bef&uuml;rchtungen. Solange die Menschen dort vor Ort entscheiden, wie sie weitermachen, sollten wir genau diesen Weg der Zivilbev&ouml;lkerung unterst&uuml;tzen, verbunden mit der gro&szlig;en Frage, was kommt danach. Es wird mit Sicherheit entschieden werden, was danach kommt, aber es ist wichtig an diese Revolution zu glauben.
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Was kannst Du uns mit auf den Weg geben, zur aktuellen Situation im Iran? Als einzelner f&uuml;hlt man sich manchmal machtlos, was kann jeder Einzelne tun, um zu supporten und f&uuml;r Aufkl&auml;rung zu sorgen?
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Ihr seid nicht machtlos, keiner von uns ist machtlos. Jedes Rad im Getriebe macht den Unterschied. Jeder von uns ist ein Schallverst&auml;rker. Redet mit euren Freunden dar&uuml;ber, redet mit Skeptikern dar&uuml;ber. Teilt die Beitr&auml;ge, geht in die Offensive. Erkundigt euch, wer die Belutschen sind, wie die Situation der Kurden ist. Was die Situation des Irans ist. Unterst&uuml;tzt Menschenrechtsorganisationen. Verlasst den Socialmedia-Raum. Mobilisiert, seid Teil der Demonstration, unterschreibt Petitionen. Gebt moralische Unterst&uuml;tzung und ich sage es noch einmal mit den Worten von Mina Khani: &bdquo; Jeder, der gegen Menschenrechtsverletzungen, Frauenrechtsverletzungen ist, ist sozusagen f&uuml;r diese Revolution. Jeder, der an der Seite dieser Menschen steht, ist Teil davon.&ldquo;
Daf&uuml;r m&uuml;ssen die Menschen keine kurdischen oder iranischen Wurzeln haben oder aus dem mittleren oder nahen Osten kommen. Diese Antwort ist universell und deswegen sollte auch unser Engagement universell sein und niemand sollte sich einreden lassen, dass er nicht selbstwirksam w&auml;re oder nichts daran &auml;ndern kann.

<a href="https://www.hawar.help/de/">www.hawar.help/de</a>

Das Interview mit Duzen Tekkal

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